ARTIST MARIA MARACHOWSKA
ART & MUSIC

Der Schlaf der Vernunft gebiert Monster und Engel

Über die Kunst der Maria Marachowska

ORIGINAL PAINTINGS

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CV

Monster, Figuren, Augen und Hände, Körper, Gedanken, Ängste und Knochen. So lauten die bedeutungsschweren Worte, die am Anfang von Maria Marachowskas wohl persönlichstem Text stehen, den sie als Lyrics für ihren Song "Gefühle" geschrieben hat. Worte, die nicht nur als treffsichere Umschreibung ihres musikalischen Vorstoßes unter die Oberfläche dienen, sondern auch Ausdruck dessen sind, was in den unterschiedlichsten Variationen ihr malerisches Œuvre bestimmt.Aus den Farbzwischenräumen, den dunklen Ritzen und dem Zwielicht blitzen Augen auf, schreien aufgerissene Münder und schweigen geheimnisvoll verschlossene Lippen, schlangenhaft winden sich Arme und Hände und greifen nach Körperteilen oder gehen nahtlos in andere über.




Innere Dämonen werden sichtbar gemacht, Schreckgesichter starren uns an mit ihren schwarz umrandeten Augen, gebannt wie in einem Stummfilm-Szenario und scheinen uns etwas sagen zu wollen. Sie sprechen in der Sprache der Malerei und suggerieren uns etwas, das wir mit unseren eigenen Gedanken verstehen können.

Wir begreifen, dass wir hier keineswegs, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben könnte, mit Hexen, abstrakten Dämonen und unheimlichen Fabelwesen konfrontiert sind, sondern mit unserem eigenen Unterbewusstsein, unseren eigenen Urängsten und Albträumen. n jedem von uns steckt ein bisschen von Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Schon lange vor Robert Louis Stevensons symbolträchtiger Novelle wurden die Thematiken der Doppelgesichtigkeit und Persönlichkeitsspaltung auf unterschiedlichste Weise in Kunst und Literatur eingeflochten und Maria Marachowska verleiht in ihren Bildern diesem bewährten Kunstgriff eine ganz neue Dimension.





Es ist weit mehr als die Faszination des Bösen, der wir hier ausgesetzt sind und auch mehr als eine bloße Entlarvung menschlicher Abgründe, nein, so erschreckend diese Geschöpfe auch sind, wir können mit ihnen fühlen und erkennen hinter diesen Fratzen verletzte Seelen, Schmerz und Einsamkeit. Trotz aller Abstrahierung wird es deutlich, dass wir in den Spiegel unserer Gesellschaft blicken.



 

In ihrer erschreckenden Wahrhaftigkeit, die die Realität gerade im Surrealen und Überhöhten zum Ausdruck bringt, muten Maria Marachowskas Bilder an wie eine zeitgenössische Weiterführung jener aberwitzig-genialen Capriccios, in denen Francisco de Goya auf die Schrecken des Krieges und die Auswüchse der menschlichen Grausamkeit aufmerksam machte.

Anders als bei Francis Bacon und seiner drastischen Visualisierung und - im wahrsten Sinne des Wortes - Fleischwerdung - des Schmerzensmenschen, den verwesungsnahen Fratzen eines James Ensor oder den angstbetäubten Gestalten von Edvard Munch, sind Maria Marachowskas Gemälde von einer Formschönheit und seltsamen Ästhetik durchdrungen, die trotz aller Düsternis und grotesken Abartigkeit, lebensbejahend wirkt und dem Tod und seiner kalten Hand die Stirn bietet und seine Unentrinnbarkeit in Zweifel stellt. Wie ein leidenschaftlicher Dramatiker in seinen Stücken, so liebt auch Maria Marachowska ihre Figuren, die sie uns zeigt und bei aller Bloßstellung nimmt sie ihnen die Würde nicht.





Es ist, als würde ihre Bilderwelt einen neuen Symbolismus ins Leben rufen, der sich von der Schwülstigkeit seiner Vertreter des ausgehenden 19. Jahrhunderts befreit hat und ohne sich religiöser Motive zu bedienen, die großen Themenkomplexe von Traum, geistiger Wirklichkeit, Vision und Halluzination umfasst und dabei dem klassischen Ideal treu bleibt, das Geheimnis des Unerklärlichen durch bildliche Darstellung nicht zu lüften, sondern das Rätselhafte für sich sprechen zu lassen. Dem Reinen und Erhabenen gibt sie dabei genauso Raum wie der dunklen Seite. 

Es ist erstaunlich eine derartige Tiefe und künstlerische Reife in dem Werk einer so jungen Künstlerin zu finden. Sowohl die Inhalte als auch die bildliche Umsetzung zeugen von einer großen Lebenserfahrung und der Fähigkeit, den Druck, der durch die bereits ersichtlichen Errungenschaften der Kunstgeschichte entsteht, hinter sich zu lassen und einen ganz und gar persönlichen Weg zu beschreiten, der einzig dem eigenen Empfinden und der eigenen Vorstellungskraft folgt. 





Nach ihrem Kunststudium, während ihrer ersten Jahre in Deutschland, hat Maria Marachowska im Krankenhaus und zwar im Operationssaal gearbeitet, nicht zuletzt um Eindrücke zu sammeln und sie in ihrem künstlerischen Schaffen zu verarbeiten. 

Das erklärt die Sicherheit, mit der sie menschliche Materie darstellt, Körperöffnungen und daraus hervortretende Körperflüssigkeiten, die Essenz des Lebens, in sich selbst verschlungene Leiber, organische Substanz, die Abstraktion zu einer Nase, aus deren Wurzel ein Finger wächst wie in ihrem "Auge des Monsters" oder einer Hand, die sich gleichsam zu Hörnern auswächst wie in "Angel". Eine Erfahrung, die sie in die Tradition ihrer künstlerischen Vorväter aus der Renaissance stellt, die sich, damals allerdings noch illegal, Zutritt zu Leichenschauhäusern und Seziersälen verschafften, um die menschliche Physiognomie zu studieren. 





Die organischen Strukturen, die Max Ernst durch seine raffinierten Frottage und Grattage-Techniken erzeugte, zaubert Maria Marachowska mit ihrem feinen Pinselstrich auf die Leinwand als wäre es eine besondere Art von Trompe-l'œil mit dem sie Figuren und abstrakte Formen aus den wie Wurzelwerk anmutenden Linien hervorbrechen lässt, Sehnen und Muskelstränge sind darin erkennbar, Sporen werden frei und schweben zwischen den sich berührenden Körpern, runde Zellen scheinen zusammenzufließen und drängen sich in die Bild-Zwischenräume, Blut züngelt wie ein Flammenmeer und milchige Flüssigkeit löst sich in zarten Rauchfahnen auf. 

Es spricht eine vibrierende Sinnlichkeit aus diesen Bildern und ähnlich wie bei Max Ernst steht die Wildheit und Rohheit der Naturgewalten als Sinnbild expressiver Gefühle und menschlicher Instinkte. Ist es bei Ernst der Wald, der ihn als düsterer Schrein des Rätselhaften befasst und gleichsam mit dem Übergang vom Baum zum Menschen eine neue Evolution des Absurden zelebriert, so kommt die Hinwendung zum Organischen in Maria Marachowskas Bildern einer Befreiung nah. 





Herrscht in ihren frühen Werken noch das Chaos als Prinzip einer dicht gedrängten sonderbar labyrinthartigen Materie, in der die düster-kraftvollen Farben im Wettstreit um die größtmögliche Intensität zu liegen scheinen und ähnlich wie in den akribischen Psychiatriebildern eines Adolf Wölfli oder den makaber-psychologischen Seelenlandschaften des New Yorker Underground-Künstlers Joe Coleman, das Inferno in detailverliebten geometrischen Formen auf das Papier bannt, so beginnt sich in ihren ab 2003 entstandenen Arbeiten die Blickdichte langsam zu öffnen und gibt den Figuren und Formen Luft. Die Bilder beginnen zusehends zu atmen, das Organische und gleichzeitig auch das Illusionistische gewinnt die Oberhand. 

Es ist ungeheuer spannend, was sich aus dem vormals weißen Papier herausschälen lässt. In ihrem eigenen poetischen Text von 2001, den sie gerne auf die Frage nach ihrer künstlerischen Inspiration zitiert, berichtet sie davon, "wie das Papier und sie Freunde wurden". "Erprobe mich! ", bat es von ihr und genau das hat sie getan. War es bei der ersten Begegnung noch "glatt und klar und sehr direkt, hat sie gequält und sie geneckt", sich gewunden, wie um sich der Bearbeitung zu entziehen, so "fand es sie zum wahren Zeitpunkt". Es ist dies eine überaus treffende, fast zärtliche Umschreibung dieses ewigen Kampfes eines Künstlers mit dem unberührten Papier, wie wir es auch von vielen namhaften Schriftstellern kennen, die die Überwindung eingestanden, die sie die erste Seite eines neuen Manuskripts kostete. 




In der Malerei kommen nun Farben ins Spiel und Schwarz als eine Art Puffer, der die Rivalität zwischen den einzelnen Farbtönen beilegt. Schwarz ist es, das in Maria Marachowskas Vorstellungswelt "Sicherheit, Kraft, Stärke, Halt", also "Kontrast" verleiht. Sie nennt es ein "seltsam Ding aus Nacht und Tag", "Figuren und Details" erscheinen, "wo vorher nichts" war und diese neue Materie wird durch "des Pinsels feines Haar mit der Kontur des Lichts beschenkt". Das Papier fand Gefallen und "bot ihr seine Freundschaft an."

Hier zeigt sich, dass jedes Bild, nicht nur das erste, ein neuer Schöpfungsakt ist, ein Neubeginn, der Mut erfordert und eben diese Überwindung der äußerlichen Leere. Es kann nichts Befriedigenderes geben für den Künstler, als sich auf die Seite des Papiers, dieses widerspenstigen Lebewesens, zu schlagen und aus ihm herauszuholen, was unter der weißen Oberfläche verborgen liegt.

  

Von den dichten, düsteren Bildern ihrer künstlerischen Anfänge zu den lichtdurchfluteten Grafiken von 2008 mit sich auflösenden Formen und dem plötzlichen Durchscheinen des ursprünglichen, noch rohen Untergrunds, ist es eine natürliche Entwicklung. Die Leinwand, das Papier öffnet sich und gibt etwas von seinem Innersten preis, es ist die Entdeckung der Reduktion nach einem großartigen Farbexperiment, nach einer langen Nacht der Farben bricht das helle Licht hervor. 





Oft entdeckt man in ihren Bildern ihre magische Zahl, die Zwölf, im Kreis eines Ziffernblattes eingeschlossen oder frei schwebend als grafischer Schriftzug. Ihre Uhren sind geheimnisvolle Zeichen in einem zeitlosen Universum, ihre Zeiger stehen auf zwölf und entrinnen der Zeit nicht wie Dalis Uhren, sie sind in ihr erstarrt.

Es ist als wären ihre Protagonisten auf der Suche nach der verlorenen Zeit zum Stillstand gekommen. In gewisser Weise ist es die Zwölf, die den Lauf der Zeit bestimmt, eine kosmische Zahl, seit dem Altertum in den verschiedensten Zusammenhängen Sinnbild der Ordnung von Raum und Zeit, des Gleichgewichts zwischen Chaos und Kosmos.

  

Das mystische Aufleuchten dieser Zahl in den Bilderwelten der Maria Marachowska schafft nicht nur Irritation, es hat, so seltsam es klingen mag, auch etwas auf tiefste Weise beruhigendes an sich. Das Vorhandensein der Zwölf erinnert uns daran, dass alles Existierende, nachdem es die Stadien seiner individuellen Entwicklung durchlaufen hat, wieder zu seinem Ursprung zurückkehrt und wir ahnen, dass auch das offensichtlich Abstoßende niemals rein dem Bösen entspringt. 

 




Die Zwölf steht auch für Vollkommenheit und die Regeneration des Organismus in den Zyklen der Natur. Es ist also nicht zuletzt das Aufscheinen dieser magischen Zahl, das den Bildern des Schreckens Hoffnung verleiht. Begegnet uns in "Geboren in Acryl" von 2003 mit der offenkundigen Zurschaustellung der Zahl Zwölf noch ein verstörender Schöpfungsakt zwischen Leben und Tod, wie vom Marquis de Sade ersonnen, so ist in "Musik" von 2007, in dem die besagte Zahl im Labyrinth der aufsteigenden und sich spiralartig überschneidenden Farbtöne dematerialisiert und in frei schwebende Noten übergegangen zu sein scheint, dieses Stadium der Agonie bereits überwunden und ein vollkommenes Universum scheint sich aufzutun.

In ihrem Bild "Böser Pinocchio" von 2002 ist Pinocchio nicht mehr die unschuldige Holzpuppe, die auf die Probe gestellt wird und der Verführung durch das Böse und Lasterhafte widerstehen muss, um Mensch werden zu können, sondern ein verrohter Maschinenmensch mit Raubtiergebiss, dessen Gefühle dem blanken Hohn gewichen zu sein scheinen. Wir fragen uns, wer sein Schöpfer sein mag, ob sich hier der bigotte Katholizismus manifestiert, der Carlo Collodis berühmtem Original aus dem Italien des 19. Jahrhunderts zu Grunde liegt und dessen Geist sich selbst der alte Gepetto nicht entziehen konnte. 





In Maria Marachowskas Version wird Pinocchios Gesicht durch sichtbare Nägel zusammengehalten, die ihn zu einem Bruder von Frankensteins unglückseliger Kreatur werden lassen. Oftmals wirken auch Clowns unheimlich und böse und dahinter steckt eine tiefe Trauer. Wir lachen über das, was uns Angst macht, um damit fertig zu werden. Wir brauchen ein Sinnbild, auf das wir diese Ängste projizieren können und am besten, es ist ein Automat, der so vorhersehbar funktioniert, wie wir es uns erträumen.

Die Faszination des Mechanischen und der Möglichkeit, damit den Schöpfungsakt zu imitieren, kam bereits im Barock auf, das Schöne, das so geschaffen wurde, war gleichzeitig auch erschreckend und bot Stoff für düstere Zukunftsvisionen, eine Vorstufe zur Science-Fiction war geboren.

Nicht nur im "Bösen Pinocchio", sondern auch in ihrem Bild "Mechanischer Hund" und weiteren Bildern, die sie aus dem klassischen Portraitstil abstrahiert hat, greift Maria Marachowska dieses Sujet auf und konfrontiert uns mit der Entmenschlichung der Materie. Hat Hieronymus Bosch in einer Epoche der fortschreitenden wissenschaftlichen Aufklärung, im Kampf mit kirchlichen Dogmen, seine grotesken Wesen noch mit den unterschiedlichsten Gerätschaften als Körperteile ausgestattet, so zeigt Maria Marachowska nach der Wende zum 21. Jahrhundert deutlich die Maschinwerdung von Lebewesen.

   

Es ist nicht von ungefähr, dass gerade auch der "Teufel" in ihrem gleichnamigen Gemälde ein in Schalträume eingeteiltes Gehirn besitzt, wir sehen hier das komplexe Innenleben eines intelligenten Roboters, das nach einer uns unbekannten, satanischen Logik funktioniert. 





Genauso gut könnte es das verworrene Gehirn eines Amokläufers sein, in das wir hier blicken, wir wissen nicht, was in diesen kaleidoskopartig aufgespaltenen Köpfen vor sich geht und zu welch bestialischen Gedankengängen sie fähig sind.

Gerade die vermeintliche technische Perfektion, kann in Fehlleistungen umschlagen und sich gegen ihren Beherrscher richten. Wir befinden uns in einem verstörenden Wunderland, der Zauberer von Oz hat seine Unschuld verloren, seine Zaubermaschinerie ist aus den Fugen geraten, mit den Fäden, an denen er zieht, lenkt er Ausgeburten des Schreckens.

Weniger an Keith Haring, der mit seinen auf rudimentäre Symbole reduzierten Figuren, die Graffiti von den alltäglichen Zusammenhängen in die Sphären der Kunst gehoben hat, als an Otto Dix und seine bitteren Kriegsresumés gemahnen diese comichaft verzerrten Menschenbilder.

   

Was bei Haring zum Plakativen und grob Umrissenen tendiert und wie in der kommerziellen Welt der Werbeästhetik um jeden Preis signalisieren möchte und dies auch ohne Umschweife tut, wird bei Maria Marachowska fern jeder populärkulturellen Anleihen verfeinert und mit individuellen Zügen versehen. So schließt sich der Kreis mit der überraschenden Erkenntnis, dass Dix' verstümmelte Körperfragmente der archaischen Formensprache der Maya-Codices artverwandt sind. 



Mehr noch in Maria Marachowskas frühen Werken klingt etwas von dieser ornamentalen, an moderne Comic-Elemente erinnernden Bildersprache der präkolumbianischen Kunst an und verweist uns darauf, dass die Ursprünge aller Kunst im Archaischen liegen und sie sich der spartanischen Ausdrucksformen unserer Vorväter bewusst ist. Sie nimmt uns mit auf eine Reise ins Herz der Finsternis, in dem die grausamen Menschenopfer, die Kriege, ebenso wie in übertragender Weise, die fatalistische Lebensphilosophie überspannter Hochkulturen von der Antike bis zur Moderne, hervorgebracht hat, einen symbolischen Charakter einnehmen. Ein fernes Echo einer rätselhaften, verlorenen Kultur, ein bisschen von "Paradise Lost" kann man in diesen Bilder erkennen und gleichzeitig eine eigenwillige Reminiszenz an Dantes "Inferno" als zeitlose, comichafte Farbexplosion.

Maria Marachowskas Kindheit und frühe Jugend waren von häufigem Ortswechsel geprägt. In den maskenhaften Gesichtern, die uns in vielen ihrer Werke begegnen, drückt sich das sich zwangsläufig aufdrängende Gefühl von Fremde und Orientierungslosigkeit aus, Geschöpfe, die eine andere Sprache sprechen und zu denen man nicht durchdringen kann. Es scheint als hätten wir eine fremde Galaxie betreten, mit ihren in Schmerz erstarrten Augen senden ihre Bewohner Signale aus den Niederungen von Interzone.

In all ihren Bildern verfolgt Maria Marachowska eine strenge Geometrie der Körper, die schwarzen Konturen verleihen den Farben mehr Strahlkraft und verdeutlichen gleichzeitig auch immer die Schattenseiten, die sich zwischen der Formschönheit verbergen. Sieht man ihre Arbeiten im Überblick, so lässt sich ihre Farbpalette den Elementen zuordnen: Feuer, Wasser, Luft und Erde.

   

Diesen einzelnen Farbkombinationen entlockt sie derartig fein nuancierte Töne und Mischungen, dass es schwer fällt, sich satt zu sehen an Farben, wie wir sie in der zeitgenössischen Malerei nur selten sehen. Sollte es in ihren Bildern etwas geben, das an ihre russischen Wurzeln erinnert, so ist es jene phantastische Leuchtkraft der Lackarbeiten, die auch in den düsteren Farbtönen noch so übernatürlich strahlen und die sie ohne jemals die traditionellen Formen der Volkskunst aufzugreifen, in ihre Gemälde einfließen lässt. 






Die Malerei von Maria Marachowska hat noch eine andere, weniger düstere Seite, die aber keinesfalls im Widerspruch zu der besonderen Art des Phantastischen Realismus steht, der hier bereits beschrieben wurde. Es ist das Sujet der Musik, das in vielen ihrer Arbeiten anklingt. Man spürt, dass diese Künstlerin eine tiefe Beziehung mit dieser anderen, akustischen Kunstform verbindet. Ihr zweiter Beruf und gleichsam Berufung ist Musikerin und ihre Bilder, die Musiker und ihre Instrumente als Motiv für eine komplizierte Ornamentik der Körper und Formen aufgreifen, ruhen in sich und strahlen eine ergreifende Harmonie aus.

In ihrem Meisterwerk "Geigenspieler" werden die physischen Gesetze des Körpers aufgehoben, die Taille der feingliedrigen Musikerfigur geht in einer weichen Biegung in den Geigenbogen über und ein dritter Arm schwingt sich in einem großen schützenden Bogen um den Musiker und seine Geige, wie ein Rahmen, der einen eigenen behüteten Raum für die Welt der Musik bildet. Man könnte meinen, in diesem Bild habe Maria Marachowska eine ganz neue und sehr persönliche Interpretation von Leonardo da Vincis vitruvianischem Menschen geschaffen. 




Ähnliches könnte man von ihrem Bild "Gesichtsloser Musikant" sagen. Im Gegensatz zu den satten Grün-, Blau-, und Rottönen des "Geigenspielers", ganz in Grau-, und Schwarzschattierungen gehalten, verliert sich der Körper des Spielers vollends in der Musik, geht augenscheinlich in ihr auf, sein Körper ist Musik. Um sich selbst hat er einen schützenden Kokon gebildet, eine Art Mutterschoß, in dem die Töne geboren werden, vor dem inneren Auge, das den Kern des Bildes ausmacht und gleichzeitig auch Klangöffnung eines imaginären Instrumentes ist, das von dem zärtlich geführten Bogen des Musikers berührt wird, wie in einem Schöpfungsakt.

Wie in Leonardos genialem Vorbild, könnte man die Reihe von Maria Marachowskas Musikbildern, zu denen auch "Cello", "Duett", "Sad Song", "Dirigent" und "Inspiration" zählen, als eine Art von Proportionsstudien der menschlichen Gestalt betrachten, die durch ihre Berührung mit Musik den Inbegriff der Harmonie erreichen. 






Ein unverkennbarer Ausdruck künstlerischer Reife ist der Blick fürs Wesentliche und die Fähigkeit, es in die entsprechenden Formen umzusetzen. Nicht nur die Musikbilder und die darin vollzogene Reduzierung von Körpern auf Augen und Hände und das Verschmelzen von Gliedmaßen und den von ihnen bespielten Instrumenten, lassen in den Arbeiten von Maria Marachowska diese Fertigkeit erkennen, es ist vielmehr ein stilistisches Merkmal, das ihr gesamtes malerisches Werk kennzeichnet.

Nicht zuletzt in ihren Frauenbildnissen findet sich eine Grazie der Formen, die mit den zarten Händen und eleganten Pianistenfingern ihrer Musikbilder korrespondiert. Schwarze Schattenlinien und Umrandungen, so fein wie von einer Tuschefeder, lassen Konturen sich aus den Farben abheben, Gestalten treten zum Vorschein, die in ihrer unterschwelligen Erotik und zeitlosen Elegance an die meisterhaften literarischen Illustrationen eines Aubrey Beardsley erinnern, der den Sprung ins 21. Jahrhundert geschafft hat. 





Die Bilderserie "Rot", "Schwarz" und "Weiß" von 2006 spielt auf raffinierte Weise mit der Kunstform des Tryptichon, jedem der einzelnen Bilder ist eine minimalistische beinahe monochrome, in sich geschlossenen Farbpalette zugeordnet, die jeweils einen unterschiedlichen Frauentypus und seine individuelle Aura hervorhebt. So schön und so fremd und geheimnisvoll haben wir so genannte Ton-in-Ton-Malerei seit H. R. Giger und seinen phantastischen, metallfarbenen Biomechanismen nicht mehr gesehen. 





Auch in Bildern wie "Oh, nicht wahr", "Masturbation" und "Das Blaue Herz" kann man diese laszive Sinnlichkeit erkennen, wir sehen Fragmente von Figuren, Andeutungen, ein maskenhaft angeschnittenes Gesicht mit dem geheimnisvollen Lächeln einer Mona Lisa auf den Lippen, Bildnisse, die von der Liebe zu Frauen zeugen, beunruhigend schöne Märchen für Erwachsene, Wesen, die gleichsam eiskalt als voller Leidenschaft sind, durchflossen von der Essenz des Lebens, die sich in ihren pulsierenden Zellen und ihrem abstrakt dargestellten Blutstrom manifestiert.

In all ihrer Anmut haben diese Wesen durchaus auch etwas seltsam Bedrohliches und Doppeldeutiges, könnten in ihren dekadenten Ausblühungen der Gedankenwelt eines Joris-Karl Huysmans, des berühmten Chronisten der Decadence, entsprungen sein. Wenn er sich in "À Rebours" wünscht, zu beweisen, dass es keine Erklärung gibt für die Mysterien, die uns umgeben, so trifft das in wundersamer Weise auch auf die rätselhafte Ästhetik dieser Bildwerke zu. In Maria Marachowskas malerischem Kosmos gebiert der Schlaf der Vernunft, von dem alle wahren Künstler beflügelt werden, ihrer Phantasie zu folgen, also nicht nur Monster, sondern auch Engel.

  

Dabei können Jekyll und Hyde ihre Rollen durchaus auch mit einer anmutigen Frau und einer vermeintlichen Hexe tauschen, es ist ein Spiel der Identitäten, nicht unähnlich den raffinierten Vexierbildern des frühen 19. Jahrhunderts, deren viel strapazierte Darstellung einer hässlichen alten Frau, die gleichzeitig auch das Gesicht einer verführerischen jungen Dame in sich birgt, längst in die moderne Populärkultur übergegangen ist. 



In ihrem düsteren Gemälde "Wüstenfenster" von 2003 holen uns die Schatten der Vergangenheit ein, es ist wie ein Déjà Vu unserer Träume und Gedanken, Erscheinungen, die in der Luft hängen geblieben und zu Licht geworden sind, sichtbar nur durch ihre glühenden Umrisse, die wie das sparsam angewandte Kerzenlicht in den Bildern der Alten Meister das Wesentliche aus dem Dunkel hervorhebt. Maria Marachowska erzählt, genauso wie in ihrer Musik, auch in ihren Bildern Geschichten.

Eine besondere Erwähnung in ihrem Werk gebührt dem Genre der Bodyart. Ergänzend zu den klassischen Techniken der Malerei und Grafik, bedient sie sich in diesem Fall auch der Möglichkeiten der modernen Digitaltechnik, um die von ihr am lebenden Objekt umgesetzten Körperbemalungen ins rechte Licht zu setzen und als eigenständige Kunstwerke zu konservieren. Durch die Kombination dieser Techniken entstanden bemerkenswerte Werke wie "Schachkönigin" und "Plasticine", die Fotografie und Malerei zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen lassen. 






Das Theatralische, das sich in Maria Marachowskas Werken findet, gepaart mit dem Gefühl für Raum, Formgebung und Fernwirkung, könnte dem modernen Theater etwas von seiner verlorenen Magie zurückgeben. Abgesehen von Jonathan Meeses avantgardistischen Kunstspektakeln an der Berliner Volksbühne haben wir schon lange nicht mehr die Visionen eines Malers auf der Bühne gesehen.

Robert Wilson ist in die Jahre gekommen und die Bühnenausstattungen der Vertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus und ihrer großen Vorgänger wie etwa Marc Chagall oder Pablo Picasso sind in die Theatergeschichte eingegangen. Die Leere, die seit Jahrzehnten auf den internationalen Bühnen zelebriert wird und von einem revolutionären Statement längst zu der Abwesenheit der Inspiration heruntergekommen ist, verlangt nach einem starken visuellen Konzept, das sie füllen kann. 





Was wir von Maria Marachowska in jedem Fall bald sehen werden, sind räumliche Projektionen ihrer Werke als Bühnenhintergrund bei ihren Live-Auftritten als Musikerin und als visuelle Untermalung geplanter Musikvideos. Es ist ein erster Schritt zum Gesamtkunstwerk, der gespannt macht auf mehr.

Mit dem Wissen, dass sie sich auch für filmische Experimente interessiert, wünschen wir uns insgeheim, sie möge eines Tages in die Fußstapfen der großen Malerregisseure treten wie etwa Peter Greenaway, Derek Jarman oder David Lynch, denn ihre Vorstellungswelt hat das Potential in lebende Bilder aus Licht und Farben erweckt zu werden.

© Text by Iris Weirich 2010 

© Paintings by Maria Marachowska 2000-2016 

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